Das Eiderstedter Alphabet

 

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Die Sandbank

 

 

In den Augen der Küstenbewohner galt das Meer als das feindliche, gefährliche und schädliche Wasser. Man zählte die Sturmfluten, die Schiffsuntergänge und nicht die friedlichen Sonnenuntergänge. Die Bewohner der Küste, die zur See fuhren, lernten nicht zu schwimmen, "damit es bei einem Unfall schneller gehe und man nicht so lange gegen das Ertrinken zu kämpfen hatte".

 

Diese Sichtweise änderte sich um 1800. Heute gilt das Meer als Lustfaktor und das Klima an unserer Küste als freundlich, heilsam und gesund. Das Meer wurde positiv gesehen und so entstanden ab 1800 die ersten Badeorte. Auch St. Peter versuchte diesen Schritt, aber St. Peter lag weit ab und hatte erst 1877 den Erfolg mit dem Bau des ersten Hotels. Helfen musste aber noch die Cholera 1892 in Hamburg, damit der Badeort zum Durchbruch gelangte, denn viele Eltern schickten ihre Kinder an die gesunde Nordsee, um der Pest zu entkommen. Dies war der Anfang zum Wandel vom Armenhaus der Landschaft Eiderstedt zur Goldgräberstadt.

 

Das gesunde Klima findet man vor allem auf der Sandbank und hier vor der Flutkante. Die Sandbank ist der eigentliche Motor für eine gesunde Erholung.

 

Die Sandbank vor St. Peter-Ording ist 12 km lang und ca. 1 km breit. Sie gilt als die größte Sandkiste Deutschlands.

 

Auf alten Karten heißt dies Gelände die "Hitze" und die Bernsteinsucher auf der Sandbank heißen daher auch die "Hitzlöper". Der kleine Tourismuszug hat diesen Namen übernommen.

Auf der Hitze konnte und kann man Bernstein finden, ein Stein der brennen kann, der als wertvoll galt und im Mittelalter auch "das Gold des Nordens" genannt wurde.

 

Es gab Menschen, die vom Bernstein leben wollten. Sie waren die eigentlichen Hitzlöper. Sie galten bei Volkmar, dem ersten Chronisten/ Beschreiber von St. Peter aus dem Jahre 1795 als Müßiggänger und waren von ihm verachtet. Es gibt keine Geschichte, in der jemand durch Bernsteinsuche reich geworden ist. (Vielleicht ist es heute anders, wenn man einen Laden auf der Buhne hat und durch ein Museum und eine Schleiferei diesen Schmuck aufwertet.) Auf alle Fälle freut sich jeder Gast, wenn er auf der Sandbank diesen kleinen gelblichen Schmuck findet und das ist ein positiver Aspekt der Sandbank.

 

Das Klima und die zufälligen Funde geben die positive Seite der Sandbank.

ABER es gibt auch die negative Seite dieser Sandbank:

Aus dem Sand der Sandbank entstanden die Dünen; zuerst die weißen Dünen, die aussehen wie die "Wüste Arabiens", die sich zu braunen Dünen wandeln, die mit Heideland überzogen sind und die dann als Waldgelände enden, wenn die Birken und die Kiefer sie erobert haben.

 

Die Sandbank verändert sich ständig durch Wasser und Wind. Gewaltige Sandmassen werden verschoben. Sie haben das westliche Eiderstedt gebildet und auf Nehrungen oder Dünenrücken finden wir die ersten Siedlungsspuren: Von Brösum bis Katharinenheerd liegt die  älteste Sanddüne, dann ist eine Nehrung bis Wittendün entstanden und auf der Nehrung bis Süderhöft steht das heutige St. Peter.

Aber - wie viele Gäste bemerkt haben -, auf der Sandbank bildet sich eine neue Dünenkette.

 

Die Sandbank veränderte sich und die Dünen wandern. Sie haben den alten Ort Ording überwandert und die jetzige Kirche von Ording ist die dritte Kirche, die 800 m östlich versetzt worden ist. Der Sand hat die Felder unfruchtbar gemacht und die Menschen mussten das Land verlassen. Es gab keine Möglichkeit die Dünen festzuhalten.

Man versuchte es mit Bepflanzung von Strandhafer und Kriechwicheln, die vielleicht auch gewirkt hätten, wenn die Bewohner von Ording und St. Peter nicht die langen Wurzeln herausgezogen hätten, um daraus die "Strohtegen", Strohseile zu machen, die das Reet auf den Dächern festbinden sollten. Dadurch zerstörten sie den Dünenschutz und der dänische König schickte einen Unteroffizier mit 6 Soldaten, die die Bewohner festnehmen sollten, wenn sie erwischt wurden. Sie wurden zur Karrenstrafe verurteilt. das Gefängnis stand in Garding. 

 

Dann ist die Sandbank auch der Müllabladeplatz für viele Schiffe. Das Meer bringt deren Müll, aber manchmal auch wertvolles Strandgut.

GOTT SEGNE UNSEREN STRAND ist ein geflügeltes Wort an der Küste und die Betonung liegt auf dem Wort UNSEREN, denn Strandungen waren immer ein Gewinn. Allerdings hat sich die Bewertung im Laufe der Jahrhunderte geändert, denn das Strandgut ist weitgehend wertlos geworden. Die heutigen Schiffe aus Stahl und Eisen - und Containerschiffe verschwinden in den Tiefen der Meere.

 

Doch schon unter den ersten Urkunden des zuständigen Herzogs gibt es eine Verordnung, die Beliebung (Verordnung) "Umme Seefundt", also um Strandgut und Strandungen.

Gestrandete Schiffe ohne Personen gingen in den Besitz des Finders über. Es geht die Geschichte, dass die Küstenbewohner nachgeholfen haben, um keine Überlebenden zu haben. Das ist aber ein Gerücht.

 

Da aber der Strand dem Herzog gehörte, wollte dieser seinen Teil vom Strandgut haben und verordnete im Jahre 1444 folgendes: 1/3 konnte der Finder behalten, 1/3 bekam der Lehnsmann und 1/3 der Herzog. Wenn man das Strandgut aus dem Wasser fischte, dann bekam der Finder die Hälfte und der Herzog die andere Hälfte. Wurde das Gut aber jenseits von Helgoland geborgen, durfte man es behalten. Nach dieser Regelung wurde Strandgut nur noch im Wasser gefunden.

 

1771 strandete ein russisches Schiff vor Ording. Die Mannschaft wurde gerettet, die Ware wurde geborgen, sie wurde verkauft und der Lehnsmann bekam im Namen des Herzogs seinen Anteil. Das führte zur Neiddiskussion in Ording. Die Bürger beklagten sich und gewannen. Sie wurden am Gewinn beteiligt.

 

1928 strandete dort ein griechischer Dampfer, der aber mit Hilfe von anderen Schiffen wieder frei kam.

 

Die Einfahrt in die Eider war schwierig und daher errichtete man dort auch ein Querfeuer, den Böhler Leuchtturm. Trotzdem endete so manche Reise in den Untiefen der Eidermündung.

 

Als im Jahre 1865 die DGzRS gegründet wurde, errichtete man auch in St. Peter zwei Niederlassungen: eine in Süderhöft bis 1936, die andere in Ording bis 1949. Obwohl es mehrere erfolgreiche Rettungsaktionen gab, war die Handhabung der Schiffe wegen der breiten Sandbank schwierig und es gab keinen vernünftigen Hafen in St. Peter. Trotz dieser Wiedrigkeiten hatten die Rettungsstationen viele Jahrzehnte Bestand. Einen schweren Verlust erlitt die DGzRS im November 1947: Das in Büsum stationierte Motorrettungsboot "Hamburg (II)" war zwischen Büsum und St. Peter-Ording auf eine Treibmine gelaufen und gesunken.

 

Für die arme Bevölkerung aus Ording und St. Peter, meist "Lüdde Lüüd",  war die Sandbank und das Strandgut eine Bereicherung. Holz war in dieser  holzarmen Landschaft sehr wertvoll, auch der Untergang eines Apfelsinendampfers 1949 sprach sich schnell herum. In der Zeit um 1920 waren die Kohleschiffe von England, die teilweise vor der Küste und in der Einfahrt der Eider auf Grund liefen wertvolle Opfer. Sie wurden von den Bewohnern geplündert, aber wie ein Tagebuch feststellte: "Die Tatinger waren schneller".

 

Unter den Strandgängern aus dem Ort gab es feste Regeln: Man stahl nicht das Holz eines Vorgängers, der sich durch einen Kreis oder einen eingeschlagenen Nagel als der erste Finder markiert hatte. Holz bis zu vier Meter durfte man behalten. Jeder hatte eine Säge dabei, um längere Pfähle auf die notwendige Kürze zu sägen. Normalerweise wurde Strandgut beim Strandvogt angemeldet, gesammelt und dann öffentlich versteigert, aber gute Funde wurden auch schon mal in den Dünen versteckt.

 

1946 wurde ein Wal angeschwemmt. Er wurde völlig verzehrt. 1969 strandete wieder ein Wal. Dieser wurde allerdings als Sondermüll entsorgt. Sein Gerippe dient als Anschauungsobjekt im Museum.

 

Mit über 120 Flaschenposten kam Burgl Schulz (Weberin von Westmarken) 1988 in das Guinessbuch der Rekorde. Sie hatte diese Flaschenbriefe am Strand von St. Peter gefunden, dem Absender geschrieben und teilweise auch Antwort erhalten. Es waren meist Briefe von Ausflüglern, teilweise aber auch von Seeleuten, die auf einer Bohrinsel oder einer Feuerinsel saßen und nach Abwechslung suchten. Die Korrespondenz ging bis nach Valparaiso in Chile.

 

Anders als Berichte behaupten, gab es in St. Peter keine Seeleute, die erschlagen worden waren und in den Dünen verscharrt wurden. Ein Beispiel ist unser Shipperhus mit dem Tragesarg. Nur in St. Peter lässt sich ein solches Häuschen nachweisen, in dem die Leichen der See bis zu Identifizierung aufbewahrt wurden und dann auf dem Friedhof von Ording oder auch Süderhöft christlich beerdigt wurden. Dort steht ein Kreuz. Es dient als Gedenkstein an diejenigen, die auf dem Meer zurückgeblieben waren.

 

 

 

Claus Heitmann/ AGO

 

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